Zusammenfassung
Deutschland gehört zu den Niedriginzidenzländern für Tuberkulose. Die Zahlen in München
zeigen jedoch, dass die Tuberkulose von besonderer Relevanz für die öffentliche Gesundheit
bleibt. In München stagnieren die Tuberkulosezahlen seit 2010 bei 10 auf 100 000 Einwohner
und liegen damit doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Ursache für die höhere
Inzidenz in Großstädten ist die Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Anteil von Migrantinnen
und Migranten aus Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz sowie von sozioökonomisch
benachteiligten Menschen. München befindet sich als Metropolregion in einer starken
Wachstumsphase. Zuwanderer kommen zunehmend aus Polen, Rumänien und Bulgarien. In
München hat der Anteil der Tuberkulosepatienten, die im Ausland geboren sind, seit
2001 deutlich zugenommen. Er stieg in 10 Jahren von 49 auf 80 % im Jahr 2011. Bei
Asylbewerbern oder Zuwanderern sind zur Sicherstellung des Behandlungserfolges oft
intensive und kultursensible Therapiebegleitung sowie Hilfen beim Umgang mit anderen
Behörden erforderlich. Der Anteil von Tuberkulosepatienten mit sozialen Problemen
stieg seit 2006 von 37 auf 55 % im Jahr 2012. Der Aufwand für die soziale Betreuung
wird immer komplexer. Eine ambulante Behandlung wurde bei 6 Immigranten am Gesundheitsamt
überwacht. Ein aktuelles Problem sind nicht krankenversicherte Unionsbürger. In Europa
sind die Tuberkulosezahlen rückläufig. Alarmierend ist jedoch der hohe Anteil von
Medikamentenresistenzen in Osteuropa. 15 der weltweit 27 Länder mit der höchsten Krankheitslast
an multiresistenter (MDR) Tuberkulose entfallen auf diese Region. Patienten mit MDR-Tuberkulose
sind in München noch selten. Die Zahl schwankt zwischen 1 und 4 Fällen pro Jahr. Allerdings
dauert die Behandlung mindestens 20 Monate, zeigt häufig unerwünschte Arzneimittelwirkungen,
ist wesentlich kostspieliger und weniger erfolgreich als die Standardtherapie. Jeder
Tuberkulosepatient hat das Recht auf verlässliche Diagnostik und adäquate Behandlung
auch über Grenzen hinweg. Es ist eine Herausforderung für den öffentlichen Gesundheitsdienst,
den Behandlungserfolg auch im europaweiten und internationalen Kontext sicherzustellen.
Abstract
Germany is a low-incidence country for tuberculosis, but there is no time for complacency.
With an annual incidence of 10 per 100 000 population the City of Munich counts twice
as many cases of tuberculosis compared to the national average. Reasons for the concentration
of tuberculosis in big cities include the high proportion of migrants from countries
with high prevalence of tuberculosis and from socioeconomically disadvantaged populations.
Munich’s population is growing fast and is expected to exceed 1.5 million in the near
future. Migrants looking for employment now come predominantly from Romania, Bulgaria
and Poland. The proportion of foreign born patients with tuberculosis increased over
the last ten years from 49 to 80 %. Asylum seekers and migrants need special attention
from the public tuberculosis services. The proportion of tuberculosis patients with
social problems increased from 37 to 55 % over the last 6 years. Demands for medical
and social support have increased and the case management is increasingly complex.
In 2011 the ambulatory treatment of 6 immigrants was supervised by the public health
services in Munich. Increasingly, uninsured patients from southeastern states of the
European Union need medical treatment. In Europe the overall number of tuberculosis
cases is decreasing. The proportion of multidrug-resistant (MDR) tuberculosis in
Eastern Europe is alarming. 15 of worldwide 27 countries with the highest MDR load
are located in the European Region. In Munich the number of MDR cases is still low
at 1–4 cases each year. But duration, cost and side effects of therapy are strong
barriers to treatment success. All patients have the right to get adequate diagnostic
work-up and effective treatment no matter in which country they reside. To realize
this request with cross-border control and care, is a big challenge to the public
health service in a global perspective.
Schlüsselwörter
Tuberkulosefürsorge - Sozialdienst - Behandlungserfolg - MDR/XDR-Tuberkulose
Key words
public tuberculosis service - social service - treatment success - MDR/XDR tuberculosis